Freitag, 26. Februar 2010

Auf Jobsuche (Teil 1)

Eigentlich habe ich mich in meinem Leben erst einmal ernsthaft um eine Stelle beworben: 1992, nach meinem Studium. Mein CV — oder altmodisch: Lebenslauf — füllte kaum eine Seite. Immerhin war es schon auf dem Computer geschrieben und mit einem Laserdrucker ausgedruckt. Bei Paranor hatte ich zuvor schon als Sybase-Consultant gearbeitet, und es kam 1997 auch nicht zu einer Bewerbung. Ich habe Walter damals dennoch mein CV nachgereicht, welches er wohl nur aus Höflichkeit nicht gleich in die Rundablage steckte. Als ich dieses File jetzt wieder hervorzog, musste ich (a) schmunzeln und wusste (b), dass ich gleich ganz von vorne zu beginnen hatte.


(An die Stelle des Ovals klebte ich damals ein Passfoto  ...)

So begann ich vor etwas sechs Wochen mit der Suche "cv australia" im Internet. Ich fand relativ rasch eine gute australische Website, die mir wegen ihrer ziemlich radikalen Aussage gleich passte: Vergiss alles über Bewerbungen, das älter als sechs Jahre ist. Durch die Computerisierung im Allgemeinen und das Internet im Speziellen, haben sich sowohl Form und Inhalt der Dokumente wie auch der Bewerbungsprozess verändert.

Als zweiten Schritt kaufte ich mir etwa zur gleichen Zeit eine Wochenendzeitung mit Stellenanzeiger, der sich aber als Fehlanzeiger herausstellte: zwanzig Seiten Stellen aber nur drei oder vier Anzeigen im Informatikbereich. Offenbar läuft in dieser Branche praktisch 100% übers Internet und hat eigentlich nur einen Namen: seek.com.au — alle anderen Stellenbörsen scheinen bloss Statistenrollen zu bekleiden.


Auf seek gibt es im Schnitt täglich etwa 200 Stelleangebote zu IT allein für Melbourne, wobei einige Anzeigen natürlich alle paar Tage oder Wochen wieder erscheinen (IT = Information Technology, das englische Pendant zu Informatik). Wenn man auf einen Eintrag klickt, erscheint ein richtiges gestaltetes Inserat.


Mittels eines orangen "Apply"-Button unter dem Inserat kann man sich sogleich bewerben. Dazu erhält man entweder ein Online-Formular von seek oder wird direkt zum Anbieter transferiert. Natürlich kann man auch Abfragen registrieren und erhält dann täglich Mails mit den Treffern.
So gehört seit einem guten Monat das Studium der neusten job offers und das Schreiben und Einreichen von applications zu meiner täglichen Routine.

Freitag, 12. Februar 2010

Der Coolness-Faktor

Was gerade cool, hip, oder in ist, wurde lange Zeit vor allem lokal bestimmt. Die Globalisierung und die schnellen, allgegenwärtigen Medien sorgen mittlerweile dafür, dass sich Trends rasch und flächendeckend verbreiten. Das ist auch in der Weltstadt Melbourne nicht anders. Gerade für die jungen Australier hat das Cool-Sein und das Sich-cool-Geben eine ziemliche Wichtigkeit. Dazu gehört schon mal der standesgemässe Anzug: T-Shirt (manchmal auch Hemd), Shorts mit Karomuster bis kurz über die Knie, Flip-Flops respektive thongs, wie sie hier heissen. So kauft Mann am Morgen ein, so geht Mann am Abend ins Restaurant. Das früher 24 Stunden am Tag obligate kalte Bier in der Hand ist noch in Pubs und Clubs anzutreffen, sonst werden oft Kaffee oder angesagte Softdrinks konsumiert. Alkohol in der Öffentlichkeit ist untersagt, und Rauchen ist out, weil an vielen Orten verboten und sehr teuer.

Wenn die Kleidung also quasi vorgegeben, alkoholische Getränke nicht  erlaubt und rauchen nicht mehr angesagt sind, wie schafft Mann es dann, seinen coolness factor zu heben? (Über die Frauen berichte ich ein anderes Mal). Nun, das geschieht vor allem über die richtigen gadgets und Accessoires, wobei das Auto bei weitem am meisten beiträgt und über top oder flop entscheidet.

Legen wir doch einmal die Basis: Coolness-Factor = 0, d.h. damit fällt man nicht auf.

Toyota Corolla, weiss. Alltagsauto. 
Coolness-Factor = 0.

Ford Falcon Ute (utility vehicle), weiss, standard. Lässt man auf dem Parkplatz beim Supermarkt stehen, wenn man einen Kaffee trinken geht.
Coolness-Factor = 10

Toyota Landcruiser 80 mit Schnorchel. Sehr geläufiges Modell für den Stadtverkehr. Wird gut sichtbar im Vorgarten oder am Strassenrand abgestellt.
Coolness-Factor = 20

Range Rover Modell "Vogue" oder "Sport", Porsche Cayenne. Beide in schwarz. Werden nur neben Cafés geparkt, die rausgestuhlt haben. Wenn nötig im Parkverbot.
[Ohne Bild, weil's jeder kennt]
Coolness-Factor = 30

iPhone, weiss. Im Café auf den Tisch gelegt; unterwegs in der Hand getragen (nicht in der Tasche!).  
[Ohne Bild, weil's jeder kennt. In der Schweiz gibt's bereit eine halbe Million iPhones]
Coolness-Factor = 35

Hut, Modell "Bogart", vorzugsweise aus Stroh geflochten.
Coolness-Factor = 40

  Fixie: Rennvelorahmen mit nur einem Gang und Starrlauf. Der Lenker darf nicht breiter als 30 cm sein.  Felgen und Rahmen in gleicher Farbe. Die "echten Kerle" brauchen keine Vorderbremse und arbeiten nur mit dem Starrlauf.
Coolness Factor = 50

Toyota Landcruiser oder Nissan Patrol extreme truck. Recht geläufig im Stadtverkehr. Zwingende Accessoires: Ballonreifen, Bull Bar, Zusatzscheinwerfer, elektrische Winde, um mindestens 3 inch höher gelegt, Funkantenne (hier nicht eingesetzt), Schnorchel.
Coolness-Factor = 60

Ford Falcon Ute, 6 Zylinder, getönte Scheiben, Spezialfelgen, canopy (Kunststoffabdeckung über der Ladefläche, natürlich in Wagenfarbe), Heckspoiler. Keine Aufkleber oder Abzeichen abgesehen vom XR6-Erkennungszeichen. Leider kann man jeden Toyota in dieser Farbe haben. Deshalb nur
Coolness-Factor = 80

Holden Thunder, 8 Zylinder, Senf-metallic-Lackierung. Keine Aufkleber oder Abzeichen abgesehen vom S8. Den Motor hört man bevor man das Auto sieht. Versucht, am Rotlicht ganz vorne zu stehen, um bei grün eine kurze Soundprobe abzugeben. Super cool, wenn der Fahrer auch noch ein "Holden" T-Shirt trägt.
Coolness-Factor = 100 – danach drehen sich alle um.

 P.S. Der Toyota Corolla ist das Modell von Jeannine. Wir arbeiten verzweifelt daran, unseren Coolness-Factor irgendwie zu erhöhen.

Sonntag, 7. Februar 2010

Black Saturday

Am Samstag, 7. Februar 2009, traf das ein, was Fachleute schon während Tagen und Wochen befürchtet hatten: bei 48.8 Grad und nur 4% Luftfeuchtigkeit in Melbourne brachen fast gleichzeitig an mehreren Orten in Victoria Busch- und Waldbrände von nie gesehener Heftigkeit aus. Der Tag ging als Black Saturday in die Geschichte ein, 173 Menschen kamen ums Leben.

Die Bevölkerung wird das ganze Jahr über mittels regenbogenfarbigen Warntafeln informiert. Grundlage ist der Forest Fire Danger Index (FFDI), ein Instrument zur Bewertung der Brandgefahr.


Der FFDI, bereits in den 60er-Jahren entwickelt, ist abhängig von Umgebungstemperatur, Windgeschwindigkeit, Luftfeuchtigkeit, Trockenheit von Pflanzen und Boden sowie von der vorhandenen Masse an brennbarem Material. Eine FFDI-Angabe ist immer auf einen bestimmten Ort bezogen. Gezielte Experimente ergaben, dass die Feuerwehr bei einem FFDI von 12 noch gut mit dem Feuer zurecht kam; ab 25 hatte sie bereits Mühe und ab 50 waren die Chancen schlecht, dem Feuer Herr zu werden.

Extreme bedeutet, dass der FFDI bei 50 oder höher liegt, und die Konsequenz ist immer ein total fire ban, d.h. absolut kein Feuer mehr im Freien. Das Problem ist, dass Extreme gar nicht extrem ist. Nach verheerenden Bränden im Januar 2006 wurde eine Anpassung der Skala vorgeschlagen, aber nicht umgesetzt: Extreme zu Severe umbenennen und zwei neue Stufen hinzufügen: Extreme (neu) [75-99] und Catastrophic [> 100], wobei man 100 als weitgehend akademisch betrachtete, als ein Wert also, der in der Praxis nie zu erwarten ist.

Schon Anfang Februar 2009 hatte man nach wochenlanger Rekordhitze lokal FFDI-Werte von 150 (sic!) festgestellt. Für die Feuerwehr war das Verhalten bei einem Brand in einem solchen Gebiet klar: get the hell out of the way (abhauen und das eigene Leben retten). Jeder Löschversuch war vollkommen aussichtslos.

Warum kamen vor einem Jahr so viele Leute ums Leben? — Im Gegensatz zu den USA, wo bei Busch- und Waldbränden die gefährdete Bevölkerung zwangsevakuiert wird, überlässt man es in Australien den Bewohnern selbst, ob sie ihr Haus zu retten versuchen oder fliehen wollen. Das Motto heisst aber ganz klar: Stay and defend, or leave early (bleibe und verteidige, oder gehe früh). Das Problem lag nun genau beim letzten Wort, early. Obwohl viele Familien recht gut vorbereitet waren, wurden alle, inklusive Feuerwehr, von der Grösse, der Heftigkeit und der Geschwindigkeit der Feuerfront überrumpelt. Viele Leute flohen eben nicht früh sondern erst als sie sahen, was da kam. Die meisten Todesopfer gab es auf der Flucht.

Das folgende Video ist wohl 9 Minuten lang, aber es lohnt sich — und ist erschütternd.



Anders als in der Schweiz gibt es in Australien keine obligatorische Brandversicherung von Gebäuden, welche von den Behörden durchgesetzt wird. Viele der abgebrannten Häuser waren nicht versichert. Wer nun denkt, dass im vergangenen Jahr in gefährdeten Zonen nun alle noch nicht versicherten Häuser  versichert worden wären, liegt leider falsch. Wenigstens gab es diesen Sommer noch keine nennenswerten Brände, weil Trockenheit und Hitze viel weniger gross sind.

Und: auch in Australien geht man davon aus, dass etwa die Hälfte aller Brände absichtlich gelegt werden.